REISEN

Altbayerische Sehnsüchte - Rückkehr (über Köln) nach Regensburg im Juni 1984

von Detlef Rothe aus Hagen in Westfalen

Man muß einfach reden, aber kompliziert denken. Nicht umgekehrt."
Franz Josef Strauß (bayerischer Geschichtslehrer und Politiker - * 6. September 1915 in München; † 3. Oktober 1988 in Regensburg)

Bei folgendem Text handelt es sich um einen spontan verfaßten Tagebuch-Text vom 14. Juni 1984, einem Donnerstag, geschrieben aus Anlaß einer Rückkehr nach Altbayern, nachdem ich mich dort bereits in den Jahren 1982 und 1983 für jeweils mehrere Wochen aufhielt.

EU/D/BYL/R/Regensburg/19840614-0437_5E29_Fotoalbum1117_Morgengrauen_in_Regensburg Morgengrauen in Regensburg (14. Juni 1984, 04:37)
Langsam wird es hell, und zwischen das Rauschen des Flusses am Wasserfall unter der Eisernen Brücke mischen sich erste Fahrgeräusche von Autos. Noch ist es friedlich. Die ersten Vögel dieses Morgens beginnen zu singen; sie zwitschern und trillern. Und in dem sumpfig-frischen Wind erhasche ich den Duft der ersten frischen Brötchen. Was für ein Morgen. Es wird nur ganz allmählich hell, so als könne der Tag sich nicht entscheiden, doch er wird schon kommen. Die Laternen brennen überall noch, als wollten sie es nicht glauben. Eben fährt der erste Radfahrer über die Brücke. Ihm folgt, um 4:42 Uhr, sogleich ein zweiter. Auch ihre Lampen leuchten, als glaubten sie es auch nicht.
Es ist ein verhältnismäßig warmer Morgen. Obwohl ich hier nun seit einer guten Stunde auf dem Granit der schrägen Uferböschung sitze, wird mir am Hosenboden nicht kalt.
Welch ein Morgen. Rechts sehe ich nur klaren Himmel, vor mir eine Herde Schäfchenwolken, und links wirkt's trübe und bedeckt. Ob das noch die Nacht ist?
Ich muß zugeben: ein wenig fröstelt es mir schon, hier am Ufer des Flusses am Morgen in Regensburg. Ab und zu weht ein kalter Wind herüber, aber das geht gleich wieder. Ameisen krabbeln um mich herum. Auch fliegen schon Insekten. Nun, wo die Bäume am anderen Ufer Konturen annehmen, und die Spatzen schimpfen, ist es wohl Morgen. Die Laternen auf der Brücke sind ausgegangen. Es ist jetzt 4:46 Uhr. Und ich bin nicht mehr müde.
Womit soll ich beginnen, an diesem Morgen? Erzählen von gestern? Daß ich gegen 6:30 Uhr aufgestanden war, es recht gut ging, und ich dann nebst Frühstück, Waschen und Ankleiden, meine Sachen packte für die Fahrt nach Regensburg? Daß ich an jenem Morgen langsam war und nicht mehr zum Spülen kam, schleunigst meine Zähne putzte und schließlich mit hoher Geschwindigkeit zum Hauptbahnhof in Münster radelte, um fünf Minuten zu früh anzukommen? Es ist alles nicht der Rede wert.
Auch nicht, daß ich gegen 10:26 Uhr in Köln am Hauptbahnhof ankam, nachdem ich mich durch Hagen gebahnt hatte, und vom Zugabteil auf Wehringhausen geschaut hatte, wo Kindheitserinnerungen in mir wach wurden.
[...]
Ach, es ist erst 4:55 Uhr und will nicht später und heller werden. Auch der Himmel bedeckt sich. Es ist kälter geworden, doch fahren wir fort.
[...]
Mittlerweile ist es 5:06 Uhr geworden, und ich bin hier - am andern Tag - in Regensburg gelandet. Beim Verlassen des Kölner Hbfs habe ich mich im österreichischen D-Zug nach Wien bequem gemacht - in Begleitung zweier Damen meines Alters, die mich aber in Mainz bzw. Frankfurt verließen und alleine träumen ließen. Das tat ich dann auch reichlich, wobei ich eigentlich nicht so recht schlafen konnte, weil der Zug schaukelte und die Klimaanlage mir eine kühle Brise in den Rücken blies. Gegen 3:20 Uhr etwa kam ich dann in Regensburg an. Es war dunkel, aber nicht ganz, denn es war Vollmond; und nachdem ich vergebens versucht hatte, in der warmen, aber miefigen Bahnhofsvorhalle einzunicken, habe ich mich auf dem Weg ans Ufer gemacht, durch die romantische - im Düstern um so faszinierendere - Erhardigasse, vorbei an der Erhardikrypta, und schließlich das Kolpinghaus, mein Tagesziel, im Rücken lassend. Es war ja noch zu früh. Hier am Ufer habe ich ein wenig gedöst, und dann begann ich zu schreiben. Nun werde ich in vollem Tageslicht und unter heiterem Himmel um 5:14 Uhr erst mal frühstücken.
"
EU/D/BYL/R/Regensburg/19840614-0733_5E31_Fotoalbum1118_Wohntuerme_an_der_Keplerstrasse_in_Regensburg Mittelalterliche Wohntürme an der Keplerstraße, vom Schengäßchen aus aufgenommen (14. Juni 1984, 07:33)
Der Anlaß meiner Reise war eine Tagung des West- und Süddeutschen Verbandes für Altertumsforschung, an welcher - zum Teil nur indirekt (das heißt: unangemeldet) - auch viele Studierende der Ur- und Frühgeschichte teilnahmen. Nach eher privaten Bemerkungen heißt es in einem Text vom 16. Juni 1984 weiter:
EU/D/BYL/R/Regensburg/19840614-1801_5E34_Fotoalbum1119_roemische_und_mittelalterliche_Mauer_in_Regensburg Römische und mittelalterliche Mauer in Bahnhofsnähe (14. Juni 1984, 18:01)
Am Donnerstagabend [bin ich] sehr müde und auch etwas enttäuscht gewesen; ich traute mich nicht, auf den Empfang der Stadt Regensburg zu gehen, da ich [...] nicht angemeldet war. Wollte unter der Eisernen Brücke übernachten, doch der starke Regen und die Kälte ließen das nicht zu. Beschloß, um 2:09 Uhr nachts nach Münster zurückzufahren. Trank in einer annehmbaren Pinte in der Breitegasse dunkles Weißbier und las im Kölner Führer zu ur- und frühgeschichtlichen Denkmälern. Gegen 24 Uhr etwa wieder am Bahnhof gewesen; es war kalt; [ich] ging in Richtung Bahnhofsmission, fand freundliche Aufnahme, durfte dort schließlich übernachten (ein Vierbettzimmer mit Frühstück für nur 2 DM!) - die Jugendherberge kam für mich nicht infrage, da ich diese noch von der Österreich-Exkursion zur Genüge kannte und haßte; sonst waren nur noch teure Zimmer zu haben, wohl nicht unter 30 DM. Wurde am Freitag um 6:30 Uhr geweckt. Verließ die Bahnhofmission um 7:05 Uhr, kaufte mir eine "Mittelbayrische Zeitung", las in ihr im Park vor dem Bahnhof und hörte mir ab 8:30 Uhr bis gegen 12:30 Uhr Vorträge an, besuchte - wie in der Pause vormittags - nochmals die in Aufbau befindliche Vorgeschichtsabteilung des Stadtmuseums, aß bei "Bilka" zu Mittag und fuhr nach Münster zurück. Fahrplanmäßige Ankunft 22:17 Uhr."

Aus einem Brief an meinen Studienfreund ,Nobbi', geschrieben am 16. Juni 1984:
Ich bin diese Woche auf der Jahrestagung des West- und Süddeutschen Verbandes für Altertumsforschung in Regensburg gewesen, um unter anderem meine Grabungsmöglichkeiten im sommerlichen Bayern auszukundschaften. [...] Vom Deggendorfer Kreisarchäologen, für den ich in Künzing gearbeitet habe, erfuhr ich aber, daß im Schloß Neuburg zur Zeit ein englischer Student die Grabungen leitet, so daß ich dort anscheinend in diesem Sommer nicht wirken kann. Voraussichtlich werde ich die ganze Zeit in Gittrups großem Sandkasten spielen, d. h. in Münster bleiben. [...] Die Zeit wird immer kürzer und mein Gesicht länger. / Vielleicht finde ich - trotz der gestohlenen Stunden in Regensburg - aber doch noch genügend Antrieb und Gelegenheit, um im Juli/August nach München zu fahren [...]. / [...] In Regensburg konnte ich einen ersten Kontakt mit einem österreichischen Archäologen anknüpfen, der mich vielleicht durch [= mit] Material unterstützen wird. / [...] Glücklicherweise braucht wenigstens mein Magen nicht mitzuleiden - ja[,] ich habe es vorgestern sogar fertiggebracht, bei Nepp Donalds in Regensburg ein ,Big Mäc' mit einer großen Cola zu verzehren, wobei die Cola wohl ihrerseits den Doppeldecker verarbeitet hat. Wenn ich ansonsten an die Preise in Bayern (für Speisen und Getränke) denke, bekomme ich richtig Fernweh."






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20100416 09:05