ARCHÄOLOGIE
Probleme im spanischen Zeitalter nach Heinrich Lutz. ,Weltbewegendes' in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts
von Detlef Rothe aus Hagen in Westfalen
„Das Zerbrechen der christlichen Einheitskultur im 16. Jahrhundert war ein Vorgang von beispielloser und verwirrender Wucht."
Dr. Heinrich Lutz, Prof. für Geschichte der Neuzeit (a. a. O., S. 131)
Schloß Horst in Gelsenkirchen ist nicht der Escorial Philipp II., auch wenn es wie dieser in einer Einöde - nämlich dem Emscherbruch - errichtet wurde, abseits gängiger Handelswege (was man beispielsweise für die Stadtresidenz in Wismar nicht sagen kann, welche aber gleichen Einflüssen unterliegt wie die durchaus abgelegene Burg Neuburg am Inn - diese orientierte sich zwar mehr nach Wien, setzte aber letztendlich gleichen Zeitgeist um). Als Residenz zeugt Schloß Horst gleichwohl - wie das gleichzeitig errichtete spanische Regierungszentrum - von innereuropäischer Kultur und Herrschaft seiner Zeit. Die einschlägigen Zeugnisse aufzuarbeiten und für die Öffentlichkeit aufzubereiten, sind zweifellos ein spannendes Unterfangen.
Hier soll an Hand wichtiger - eigenmächtig zusammengestellter - Kernsätze von Heinrich Lutz (Die Monarchie des Escorial und Calvins Gottesstaat in Genf, a.a.O., S. 94 - 100) bloß kurz erläuternd charakterisiert werden, worin die Bedeutung entsprechender Untersuchungen liegt:
- Was im spätmittelalterlichen Burgund künstlerisch-spielende Selbstdarstellung war, wurde in Madrid zu einer sakralen und menschenfernen Überhöhung der königlichen Majestät. Philipp war von frühester Jugend an elternlos aufgewachsen; seine Ehen waren Ergebnisse außenpolitischer Kalkulation. (S. 96)
- Einsam war Philipp II. auch im Kreise der europäischen Monarchen. (S. 96)
- Er stand allein in Europa, allein mit der Last der von Karl V. überkommenden Reiche, allein mit der neuen Bürde einer europäischen Verantwortung für die katholische Sache. (S. 97)
- In den sechziger Jahren erlebte er mit Elisabeth von Valois einige glückliche Jahre. (S. 96)
- Das endlich versöhnte Haus Valois bestand nur aus Katharina von Medici und ihren degenerierten Söhnen, die der König verachtete. In England herrschte gleichfalls eine Frau. Die Wiener Verwandten kannte Philipp zu gut, um den wankelmütigen Maximilian ernst zu nehmen. So hatte der spanische König - ganz im Gegensatz zu seinem Vater - keinen ebenbürtigen Partner in der europäischen Politik. (S. 96 f)
- Aus der im Ödland neugeschaffenen Hauptstadt Madrid drängte es den König fort zu einer noch ausschließlicheren und reineren Darstellung seiner Staatskomposition. (S. 97)
- Was in der grandiosen Einsamkeit eines felsigen Gebirgsmassivs mit einer geradezu pharaonenhaften Anstrengung erbaut wurde, hat seinesgleichen weder in der abendländischen Architektur noch in der Geschichte der europäischen Monarchie.
- In der monumentalen Zusammenfassung von Leben und Tod, Macht und Andacht, Weltflucht und Herrscherstolz ist der Escorial bis heute das sprechendste Zeugnis dessen, was Philipp II. war und wollte. (S. 97)
- Die mitreißende Kraft des politischen Engagements in Europa und Übersee spiegelte sich auf mannigfaltige Art in einem hochgespannten Sendungs- und Selbstbewußtsein. (S. 97 f)
- Nur aus dem Zusammenwirken politischer Macht mit geistiger Prägekraft ist die Ausstrahlung der spanischen Kultur und Sitte über ganz Europa zu erklären. (S. 98)
- Man hat diese neue Periode europäischer Geschichte vielfach als „Zeitalter der Gegenreformation" bezeichnet. Es ist aber zweifelhaft, ob der Begriff „Gegenreformation" (der erst seit Leopold von Ranke in umfassender Weise benutzt wird) der Vielfalt der eigenartigen politischen und kirchlichen Bezüge dieses Zeitabschnittes angemessen ist. (S. 94)
- In der Tat sind denn auch die Konfessionskämpfe der Zeit Philipps II. weniger von der Nachwirkung Luthers gekennzeichnet als von dem Geist und Werk des Genfer Reformators Johann Calvin. (S. 98)
- Ihm ist es vor allem zuzuschreiben, daß der europäische Protestantismus sich gegenüber dem Elan der erneuerten katholischen Kirche behauptet hat. (S. 98)
- Sein theologisches Denken wie sein organisatorisches Wirken beruhten auf einer entschlossenen Folgerichtigkeit in der Auswertung dessen, was er an Erfolgen und Mißerfolgen der vorangegangenen Generation von Reformatoren beobachtet hatte. (S. 100)
- Die Spannung zwischen der Eigenkraft staatlich-sozialer Dynamik und der Wirkweise religiös-kirchlicher Impulse blieb auch im engsten Zusammenwirken unaufhebbar. Und gerade in der weltweiten Entfaltung des neuen religiösen Ideals auf evangelischer wie katholischer Seite konnte kaum ein Akt religiösen Lebens und kirchlicher Verantwortung unberührt bleiben von der Wucht außerreligiöser Geschichtsmächte. (S. 95)
Quelle: Heinrich Lutz, Der politische und religiöse Aufbruch Europas im 16. Jahrhundert, in: Golo Mann u. August Nitschke (Hgg.), Propyläen Weltgeschichte. Eine Universalgeschichte, Siebenter Band, Berlin u. Frankfurt am Main 1964, S. 25 - 132.
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20101121 14:53