REGIONALES: Hagen

Der Bodelschwinghplatz in Hagen-Wehringhausen.

von Detlef Rothe aus Hagen in Westfalen


Vorbemerkung: Text und Fotos unterliegen dem Copyright des jeweiligen Urhebers (Verfasser bzw. Photograph). Sofern ein solcher nicht angegeben ist, stammen Text und Foto vom Verfasser oder sind derzeit unbekannt. Bitte kontaktieren Sie vor einer Weitergabe die jeweilige Bezugsquelle! (eMail-Adresse im Impressum)



Wie der Stadtplan der Hagener Innenstadt von Otto Hammerschmidt aus dem Jahre 1920 veranschaulicht, hieß die hier behandelte freifläche zunächst ,Kaiserplatz' und war mit einem Brunnen-Denkmal versehen:
EU/D/NRW/HA/Wehringhausen/1920xxxx_EU_D_NW_HA-Wehringhausen_Stadtplan_Hagen_von_Otto_Hammerschmidt_DETAIL_Wehringhausen-Zentrum

Die Wehringhauser Straße in Hagen (Bundesstraße 7 in Wehringhausen) war einst die wichtigste Straßenverkehrsader in Hagens - dem heutigen Stadtzentrum - westlicher Nachbarschaft. Entsprechend wohl situiert waren die Leute, welche sich hier im 18. und 19. Jahrundert niederließen. Vornehm ging es dann in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts auch am damals das Zentrum Wehringhausens bildenden Bodelschwinghplatz zu:


(um 1910 - nach der anno 1902 erfolgten Einweihung des Drei-Kaiser-Brunnens)

Ansicht einer etwas älteren, im September 1905 "gelaufenen" Ansichtskarte:
EU/D/NRW/HA/Wehringhausen/Bodelschwinghplatz/19050xxx_SW-AK_EU_D_NW_HA-Wehringhausen_Bodelschwinghplatz_Dreikaiserdenkmal+WehringhauserStrasse_g19050918_1200x0653

Ergänzend ein weiteres Ansichtskartenfoto von etwa 1910:
EU/D/NRW/HA/Wehringhausen/Bodelschwinghplatz/Bodelschwinghplatz_um_1910

Zum Vergleich ein Bild mit Blick von der Rampe (vor dem Umbau anno 2018!) der Unterführung auf die Einmündung der Bachstraße in die Wehringhausener Straße:
EU/D/NRW/HA/Wehringhausen/Bodelschwinghplatz/Bachstrasse/20050528s1652_IMAG0112_EU_D_NW_HA-Wehringhausen_Bodelschwinghplatz_von_der_Unterfuehrung_aus_1200x0900
(Foto: Detlef Rothe - 28. Mai 2005)

Dazu ein Schnappschuß vom Bodelschwinghplatz bei einer Vorbeifahrt mit dem Regionalexpreß:
EU/D/NRW/HA/Wehringhausen/Bodelschwinghplatz/20051127_1326_IMAG0056_Bodelschwinghplatz
(November 2005)

Der Drei-Kaiser-Brunnen befindet sich auf diesem Bild links, die Bachstraße mit ihrer Einmündung in die Wehringhauser Straße rechts.

Eine weitere Aufnahme aus der Zeit vor/um den Ersten Weltkrieg zeigt die Wehringhauser Straße ostwärts in Richtung Einmündung der damaligen Weidestraße:
EU/D/NRW/HA/Wehringhausen/WehringhauserStrasse/191xxxxx_WehringhauserStrasseAmBodelschwinghplatz_um_1917_20041205
(um 1917)

Die Weidestraße wurde beim Bau der Bahnhofsumfahrung um 2015 stillgelegt. Zum Vergleich Bilder vom Zustand zu Beginn des 21. Jahrhunderts - noch vor der Umleitung des Hauptstraßenverkehrsstroms (Bundesstraße 7):
EU/D/NRW/HA/Wehringhausen/WehringhauserStrasse/20050527-1632_IMAG0027_EU_D_NW_HA-Wehringhausen_WehringhauserStrasse_ostwaerts_am_Bodelschwinghplatz_GERICHTET_1200x0852
(Mai 2005)

EU/D/NRW/HA/Wehringhausen/WehringhauserStrasse/20100512s1153_PICT0015_D_NRW_HA_Wehringhausen_WehringhauserStrasse_Einmuendung_In_der_Beuke_stadteinwaerts_GERICHTET_1200x0877
(Mai 2010)

Man sehe sich dazu einmal mein Video vom September 2009 an, welches ich nahe der ehemaligen Post-Filiale an der Bachstraße am Bodelschwinghplatz aufgenommen habe (ca. 40 MB!):


Damals - vor der Umgestaltung des Platzes im 2010er Jahrzehnt - brillierte er mit viel Grün:
EU/D/NRW/HA/Wehringhausen/Bodelschwinghplatz/20050528_1647_IMAG0105_Bodelschwinghplatz_von_NW

Der seinerzeit ,Kaiserplatz' genannte Park bildete schon zu Anfang des 1871 wiedergegründeten deutschen Reichs einen zentralen Punkt in der damaligen preußischen Gemeinde Wehringhausen. Es verwundert daher kaum, daß hier im Jahr 1873 die Freiwillige Feuerwehr Wehringhausen gegründet und "stationiert" wurde. Später zog sie - nach einem kurzen Intermezzo während des Ersten Weltkriegs in der ,Feuerwache Wilhelmstraße' - in die Lange Straße 75.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wirkte der technische Fortschritt stark auf die Interessen der heimischen Bevölkerung. Da wurde gerne einmal aus aktuellem Anlaß - und zur Förderung der Verkaufszahlen - ein damals sehr moderner Zeppelin in Ansichtskarten einkopiert - wie hier in einem Exemplar aus dem Jahr 1908 (Montage zweier Karten!):
EU/D/NRW/HA/Wehringhausen/Bodelschwinghplatz/SW-AK_EU_D_NW_HA-Wehringhausen_Bodelschwinghplatz_MONTAGE_Detail_einer_AK_mit_einkopiertem_Zeppelin_1908_1200x0766

Am Anfang des 21. Jahrhunderts fällt in der kleinen Vorstadt-Oase der renovierte Drei-Kaiser-Brunnen besonders ins Auge:
EU/D/NRW/HA/Wehringhausen/Bodelschwinghplatz/20050528_1648_IMAG0109_Dreikaiserbrunnen
(28. Mai 2005)

Dazu vergleichsweise eine Ansicht von der vorletzten Jahrhundertwende:
EU/D/NRW/HA/Wehringhausen/Bodelschwinghplatz/Detail_einer_colorierten_AK_vom_Dreikaiserbrunnen_mit_Wehringhauser_Strasse_um_1900

Sehen Sie hier eine Aufnahme von etwa 1910:
EU/D/NRW/HA/Wehringhausen/Bodelschwinghplatz/Dreikaiserbrunnen_um_1910

Zum Vergleich - rund 100 Jahre später - wieder eine Ansicht vom 28. Mai 2005:
EU/D/NRW/HA/Wehringhausen/Bodelschwinghplatz/20050528_1647_IMAG0107_Bodelschwinghplatz

Der Brunnen von Südosten (mit Blick auf die Wehringhauser Straße):
EU/D/NRW/HA/Wehringhausen/Bodelschwinghplatz/3-Kaiser-Brunnnen/20191229w1442_DSC_4043_EU_D_NW_HA-Wehringhausen_Bodelschwinghplatz_3-Kaiser-Brunnen_con_SO_0675x1200
(Foto: Detlef Rothe - 29. Dezember 2019)

Am Pfeiler befand sich hier ursprünglich eine Figur, welche die Pelmke (den sogenannten "Wehringhauser Bach") repräsentierte. Die kleine Bronzenixe hat wohl einen Liebhaber gefunden - sie ließ sich davonstehlen. Der Verlust ist nicht zu übersehen.

Davongestohlen? Möglicherweile ist die Figur ein Opfer des erbarmungslosen Krieges, und das verbliebene Material könnte zu Recyclingzwecken eingesammelt worden sein. Wer weiß es?

Auf der nordwestlichen Seite der Wehringhauser Straße stand einst auf Höhe des Platzes das örtliche Postamt der Kutschenzeit, welches nach Verlegung der Filiale in ein Mietshaus an der Bachstraße (an der Nordostseite des Platzes nahe dem Fußgängertunnel unterhalb der Bahnanlagen) bloß noch als Gastwirtschaft genutzt und schließlich - anläßlich der Weltwirtschaftskrise - 1928/29 abgerissen wurde:
D/NRW/HA/Wehringhausen/WehringhauserStrasse/192xxxxx_ZurAltenPost

.
Der Hauptgrund für den Abriß ist wohl offensichtlich.

An der Südostseite des Platzes - also zu den Bahnstrecken hin - stand um die vorletzte Jahrhundertwende anscheinend ein Schlauchtrockenturm der Feuerwehr. Später entstand hier ein Kinderspielplatz - er besteht in veränderter Form bis heute. Dazu gibt es eine "Geschichte" aus dem Ende des Zweiten Weltkriegs, also der Zeit, als die deutschen Truppen sich auf die Berge zurückzogen (den Raum Haspe betreffend wurde mir dies von Zeitzeugen bestätigt) und wie doof in die Stadt feuerten, welche vor der Einnahme durch amerikanische GIs stand. Ich bin Herrn Gerd Rengel dankbar, daß er in seinem Buch „Schmetterlinge und Feuerstürme", welches im November 2011 erschien (Rengel 2011), an die schreckliche Kriegszeit erinnert hat; er erlebte das Kriegsende in Wehringhausen als etwa elfjähriger Schuljunge. Die Erinnerung an bestimmte Vorkommnisse prägten sich offenbar tief ein - in Worte gefaßt hat er sie allerdings erst nach Jahrzehnten, so daß sich Fehler kaum vermeiden ließen. Mangels zeitgenössischer Berichte und wegen der Eindringlichkeit seiner „Erzählung" (so der Untertitel) zitiere ich gelegentlich daraus und warne vorsorglich vor einer möglichen Schockwirkung auf Grund der geschilderten Menschenschicksale. Ich folge hier seiner Schilderung: „Die Deutsche Wehrmacht befindet sich ringsum auf den Bergen von Hagen (Westfalen). Sie beschießt auf Befehl eines Hauptmanns wahllos die unbesetzte Stadt im Tal. Zahlreiche Zivilisten, darunter auch Kinder, werden durch die Granaten getötet und verletzt. / Meine Spielkameraden und ich haben beinahe ihr Leben lassen müssen. Unsere Spielgruppe hockt an anderer Stelle der Stadt [den Umständen nach hat es sich um den Bodelschwinghplatz - der damals nach einem Kampfflieger des Ersten Weltkriegs benannt war - gehandelt (D.R.)] hinter einem Schutthaufen von etwa einem Meter Höhe. Sie gräbt so am besten nach verscharrten Parteiabzeichen. / Plötzlich [...] sind ein langgezogenes durchdringendes Pfeifen und eine gewaltige Explosion in unmittelbarer Nähe zu hören. Eine hohe grelle Stichflamme blendet mich und meine Spielkameraden. Die Luft ist schwarz und gelb durch die aufgewirbelte Erde. Gegenstände und Schutt jagen durch die Luft. Dann herrscht Friedhofsruhe. / Eine Granate ist auf dem Spielplatz eingeschlagen und dort detoniert! | Meine Mutter putzt in dem Moment die Fenster [aus anderen Stellen im Buch geht hervor, daß es sich um die dritte Etage einer Wohnung in der Häuserzeile der Südwestseite der Augustastraße gehandelt hat, welche sich gleich an der Zufahrt der Bachstraße-Fußgängerunterführung in Richtung Sternstraße anschließt (D.R.)], als sie das Pfeifen der Granate hört und sieht, wie das Geschoss auf die Kinder zufliegt. [...] / Meine Spielgefährten und ich wissen nicht, wie sie in den nahen Luftschutzkeller gekommen sind." (Rengel 2011, S. 198 f.)

Wer vom Spielplatz in Richtung Wilhelmsplatz zur Augustastraße schaut, erkennt, daß eine Sichtverbindung zwischen der Häusergruppe (hier: hinter den Bäumen) und dem Spielplatz wegen der Bahntrassen nur von der obersten Etage aus möglich ist:
EU/D/NRW/HA/Wehringhausen/Bodelschwinghplatz/Spielplatz/20191229w1442_DSC_4041_EU_D_NW_HA-Wehringhausen_Bodelschwinghplatz_Spielplatz_Tunnel-Blick_1200x0675
(Foto: Detlef Rothe - 29. Dezember 2019)

Einen Gesamtüberblick des Bodelschwinghplatzes bietet - mit Blick südwärts in Richtung Bahnanlagen (in dem Wohnblock links die neue Postfiliale) - nur eine Postkartenzeichnung aus den Jahren um 1900:
EU/D/NRW/HA/Wehringhausen/Bodelschwinghplatz/colorierte_AK_EU_D_NW_HA-Wehringhausen_g19021202_DETAIL_SW_Bodelschwinghplatz_von_WehringhauserStrasse_aus_1200x0523

An der linken Bildkante erkennt man übrigens eine von mehreren Gaststätten in dieser Gegend zu Beginn des 20. Jahrhunderts, und zwar mit dem sinnigen Namen Schenkwirtschaft zur guten Stunde:
EU/D/NRW/HA/Wehringhausen/Bodelschwinghplatz/SW-Foto_EU_D_NW_HA-Wehringhausen_WehringhauserStrasse_Ecke_Bachstrasse_Schenkwirtschaft_zur_guten_Stunde_Karl_Kaiser_1200x0743
(Foto aus dem Wehringhausen-Stadtteilband des Hagener Heimatbundes)

Diese verschwand bereits zu guter Stunde in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts. Sie mußte die beiden Weltkriege nicht mehr "erleben" - ganz im Gegensatz etwa zum ,Simpl', welches sich bis in das 21. Jahrhundert "herüberretten" konnte und nun (Stand: Dezember 2019) anscheinend vor dem Abriß steht:
EU/D/NRW/HA/Wehringhausen/WehringhauserStrasse/072/20160902s1018_DSC_3114_EU_D_NW_HA-Wehringhausen_WehringhauserStrasse072_1200x0675.JPG
(Foto des Verfassers vom 2.9.2016)


Hier sehen Sie das neuere Postamt in einem Postkartenausschnitt der 1930er Jahre:
EU/D/NRW/HA/Wehringhausen/Bodelschwinghplatz/193xxxxx_Detail_Bodelschwinghplatz_einer_SW-AK_Wehringhausen_um_1935_1200x0754
(Scan von Siegmar Peter)

Von dem Kriegerdenkmal, welches den Vorläufer des Dreikaiserbrunnens darstellt, sind mir nur zwei Darstellungen bekannt, und zwar jeweils als Detail auf einer gemalten Postkartenansicht vom Ende des 19. Jahrhunderts:
EU/D/NRW/HA/Wehringhausen/Bodelschwinghplatz/Postkartenausschnitt_EU_D_NRW_HA-Wehringhausen_WehringhauserStrasse058_Restauration_zur_Post_um_1898_1200x0609
Links von der Restauration zur Post von Albert Romberg um 1898 (vgl. Zarnke 2010, S. 37).

EU/D/NRW/HA/Wehringhausen/Bodelschwinghplatz/colorierte_AK_EU_D_NW_HA-Wehringhausen_WehringhauserStrasse_Restauration_Julius_Schuhoft_mit_3_Motiven_18981101_DETAIL_Kriegerdenkmal
Eigenes Motiv auf einer Karte der Restauration Julius Schuhoft, beschrieben im November 1898.

Nachtrag: Am 1. September 2018 habe ich den ,runderneuerten' Platz besichtigt. Dazu gibt's bei Facebook ein Foto-,Album':
01.09.2018 Der erneuerte Bodelschwinghplatz



FAZIT


Der Bodelschwinghplatz bildete nach dem Abriß des Adelshauses Söding (Familie ,von Sodingen' und ähnlich), welches bis um 1870 an der Einmündung der Minervastraße in die Wehringhauser Straße lag, das neue Zentrum Wehringhausens. Zunächst wurde er Kaiserplatz, dann - im "Dritten Reich" - Boelckeplatz genannt. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm der Wilhelmsplatz zwischen Bismarckstraße und Lange Straße die zentrale Funktion (mit Filiale der Stadtbücherei und einem Wochenmarkt); heutzutage ist die Funktion des Bodelschwinghplatzes nach Verlegung der Bundesstraße 7 und Bildung der sogenannten "Bohne" (zwischen alter und neuer Route) im Rahmen der "Bahnhofshinterfahrung" noch etwas "in der Schwebe". Auf Grund der "Verkehrsberuhigung" der Wehringhauser Straße in diesem Bereich könnte sich hier Wehringhausens ehemalige städtebauliche Oase neu entwickeln. Da gäbe es freilich eine Menge zu tun!





Numerisches


5


EU/D/NW/HA/Wehringhausen/Bodelschwinghplatz/005/SW-Anzeige_FestschriftSanktMichael1952_Anzeige_Bodelschwinghplatz005_Hirschfeld+Thernes_0522x0800
Anzeige in Pfarrgemeinde 1952 (unpaginiert)



LITERATUR UND SONSTIGE SCHRIFTQUELLEN


Pfarrgemeinde 1952: Pfarrgemeinde St. Michael (Hg.): Festschrift - 50 Jahre Pfarrgemeinde St. Michael Hagen, Hagen 1952 (Juli).

Zarnke 2010: Jürgen Zarnke: WEHRINGHAUSEN. BILDER und DOKUMENTE [so auf dem Deckblatt], Hagen 2010 (November), herausgegeben im Selbstverlag.

Rengel 2011: Gerd Rengel: Schmetterlinge und Feuerstürme. Erzählung, Friedberg 2011 (November). (ISBN 978-3-86937-236-5)



DANKSAGUNG


DEN ENGAGIERTEN MITARBEITERN DES STADTARCHIVS HAGEN DANKE ICH FÜR DIE BEREITSTELLUNG SELTENER FOTOS BEI FACEBOOK, WELCHE AUCH MEINE ARBEIT IN VIELEM FÖRDERN!


Hinweis: Für die Aktualität, Funktionalität und Korrektheit der angegebenen Links erfolgt keine Gewähr!



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