Die Waldlust Wehringhausens ist ein Sport- und Naherholungsbezirk am Wehringhauser Bach (eigentlich: Pelmeke, allerdings verschliffen zu Pelmke). Der Quellbereich und obere Abschnitt des Fließgewässers mit dem genannten Bezirk gehören zum Hagener Stadtwald:
Die Waldwege machen einen großen Teil der "Sehenswürdigkeiten" des oberen Wehringhausener Bachtals aus - und das schon seit vielen Jahrzehnten:
(colorierte Ansichtskarte des Weges am Wehringhause(ne)r Bach - "gelaufen" im Sommer 1913)
(Bei diesem Weg in Verlängerung der Bachstraße zweigt im Hintergrund offenbar der "Untere Goldberghangweg" ab.)
Aufschlußreich für die Verhältnisse vor dem Ersten Weltkrieg ist die Darstellung im Offiziellen Führer durch Hagen i. W. und Umgegend, bearbeitet und herausgegeben von der Westfälischen Verlagsanstalt Decker & Co, Hagen in Westfalen o. J. (erschienen im Zeitraum Dezember 1910 bis März 1911):
So heißt es zum Hagener Stadtwald zu Füßen des Goldbergs:
„Der Hagener Stadtgarten und der angrenzende Hagener Stadtwald ist zweifellos der schönste Schmuck in Hagens Städtekrone; ein Besitztum, um das Hunderte von Gemeinwesen - und nicht nur Industriestädte - uns beneiden können. (S. 38) An schönen Nachmittagen [...] wirst du die Schritte [vom Stadtgarten aus] weiter lenken, am Parkhaus vorüber zur Stadtgartenallee in den Wald. Bald teilt sich der Pfad. Willst du zur Höhe, so wähle den oberen und wandere etwa | zwanzig Minuten auf nicht zu steilen Serpentinen hinauf zum Bismarckturm, der trotzig und kühn hineinragt hier in die märkischen Lande. Ein schöner Rundblick wird dich für die kleine Anstrengung entlohnen.
Andernfalls schreite auf einem der vorhin genannten Pfade [oberer und unterer Waldweg am Goldberghang] - sie führen beide zum Ziel - weiter in den Wald.
(Anfang des "Oberen Goldberghangwegs" mit dem zur Bachstraße führenden Weg ganz links)
Es ist tatsächlich unverfälschter Wald, nicht mühsam erhaltenes Grün, wie in so vielen Städten.
("Kleiner Wasserfall" an der Rennfeuerschlackenfundstelle vom 9.12.2020)
(zum Vergleich: im Juli 1959 gebrauchte Ansichtskarte)
Dein Weg führt dich an der "Waldlust" vorbei, einem beliebten Sommerlokal der Hagener, das viel zu Morgen-Milchkuren wie zu abendlichem Beisammensein benutzt wird.
[...] Ein Spiel- und Sportplatz liegt zur Linken. Und stehst du dann erst mitten im Hagener Stadtwald, dann wirst du überrascht sein, daß Hagen so etwas bietet.
Dein Auge schweift entzückt zwischen den hohen Bäumen einher und freut sich der Sonne, die in tänzelnden Fleckchen auf den schattigen Wegen spielt. Und zur Rechten ragen ernst und stumm viele Meter hohe, tiefschwarze Tannen dicht empor, und ihr Harzgeruch erfüllt die Luft." (S. 42 f.)
Die parkartigen Anlagen der Waldlust ähnelten - dies sei noch erwähnt - um die Jahrhundertwende 1900/01 denjenigen des damaligen Stadtgartens.
Die Gestaltung der Landschaft unterhalb des Bismarckturms blieb vor und nach dem Zweiten Weltkrieg idyllisch:
(Ansichtskarte gelaufen im August 1953)
(der Verfasser anno 1962 - Foto: Wilhelm Rothe junior †)
(eigene Aufnahme - mit Gästehaus oberhalb des Restaurants - vom März 2009)
Wie man im letzten Bild beiläufig erkennt, blieb die Gegend der Waldlust vom Kyrill-Sturm im Januar 2007 nicht verschont.
Der Wehringhausener "Zoo"
Mit dem zuletzt zweiteiligen Wildpark entstand im oberen Tal zwischen Im Deerth und Waldlust ein besonders bei Kindern beliebtes Naherholungsgebiet. Schon zwischen den beiden Weltkriegen gab es im Hagener Stadtwald ein Rotwildgehege, allerdings lag es oberhalb des Pelmeke-Tals im Bereich Im Deerth, wo am Forsthaus bereits ein eigener Gastronomiebetrieb bestand, welcher etwa auf Ansichtskarte der Zeit um 1900 dargestellt ist. Während des Zweiten Weltkriegs konnte dieser kleine Tierpark nicht ausreichend betreut werden, und die gehaltenen Tiere verschwanden (ins Freie oder im Verdauungssystem hungriger Zeitgenossen).
Um die Mitte des 1950er Jahrzehnts hatte sich die Region vom Kriegsgeschehen so weit erholt, daß neu geplant werden konnte. Im Jahresbericht 1955 der Stadtverwaltung Hagen heißt es die Forstverwaltung betreffend: „Nach Bereitstellung der erforderlichen Mittel wurde mit der Einrichtung eines neuen Wildparkes oberhalb der Waldlust begonnen. Das mit Dam-, Muffel- und Rehwild zu besetzende Gehege soll im Frühjahr 1956 fertiggestellt sein." (Stadtverwaltung 1956, S. 116, Abs. 2)
Für die Anfangszeit (um 1960) kann ich auf Fotos meines Vaters "zurückgreifen":
Verfasser mit seiner Mutter am Gehege für das Dam-, Muffel- und Rehwild (ca. Frühjahr/Sommer 1960 - Foto: Wilhelm Rothe†)
Dieses untere eingefriedete Gelände wird von mir kurz "Rotwildgehege" genannt zur besseren Unterscheidung vom Saupark (Schwarzwildgehege).
Mein Bruder Klaus beim Füttern (ca. Frühjahr/Sommer 1960 - Foto: Wilhelm Rothe†)
Zwei nicht näher gekennzeichnete (hinsichtlich Datum und Autor) Fotos aus einer städtischen Werbeboschüre aus dem Jahr 1962:
Rotwildgehege
Schwarzwildgehege (Saupark)
Wildschweine im Saupark (ein im Jahr 1967 publiziertes Foto - Photograph unbekannt) -
Die beiden Wildgehege wurden von meinen Angehörigen und mir ab 1960 besucht, kurz nachdem die Familie Rothe von Eckesey nach Wehringhausen gezogen war:
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Der Sportplatz
Zwischen dem Rotwildgehege und dem Beginn des Schlangenstiegs an der östlichen Talseite befindet sich der Sportplatz Waldlust:
Nicht immer ging es hier sportlich zu, denn das Spiel-/Sportgelände diente vorher als Steinbruch der Gemeinde Wehringhausen. In der Umgebung befinden sich noch weitere, aber deutlich kleinere Steinbrüche, und zwar zum Teil mit glatten Felsflächen und deutlich erkennbaren Keilspuren - wie hier an der sogenannten "Schere" (der Kreuzung des Jägerpfades mit dem Selbecker Stieg am Sunderloh):
(eigenes Foto vom 25.12.1993)
Das erinnert uns daran, daß die Täler entlang und seitlich von Ennepe und Volme in vorindustrieller Zeit wichtige Rohstoff- (und auch Energie-)Gewinnungsstätten waren.
Im und nach dem Krieg standen auf dem Gelände des Sportplatzes Waldlust eher unscheinbare Baracken. Während im Zweiten Weltkrieg hier wohl Büros der Accu(mulatorenfabrik) untergebracht waren, fand darin in der unmittelbaren Nachkriegszeit Unterricht der Kaufmannsschule statt: „Bei schlechtem Wetter und in der Dunkelheit ist der Anmarschweg bis zur Waldlust zu weit. Es ist deshalb dringend erforderlich, daß wenigstens die Abendkurse wieder in einem Gebäude im Mittelpunkt der Stadt durchgeführt werden. Die Schule ist noch im Barackengebäude auf dem Sportplatz ,Waldlust' untergebracht. Außer Nebenräumen stehen 11 Klassenzimmer zur Verfügung, die für einen ordnungsgemäß durchgeführten Unterricht nicht ausreichen. Deshalb wurden die Fachklassen für Drogisten im CVJM.Heim, Schürmannstraße, untergebracht." (Stadtverwaltung 1948, S. 84, Abs. 4)
Offenbar war hier auch die Innere Mission involviert, denn es heißt im Jahresbericht 1955 der Stadtverwaltung Hagen: „im Erbbaurecht hat die Stadt im Berichtsjahr folgende Grundflächen überlassen: [...]
e) an die Innere Mission ein Grundstück in Emst [...] für die Errichtung eines Ersatzbaues für das abzureißende August-Hermann-Franke-Haus am Waldlustplatz" (Stadtverwaltung 1948, S. 114, Abs. 5)
Im Übrigen verweise ich auf das informative Werk von Karlheinz Klostermann (Klostermann 2005).
Die Gastronomie
Die zentrale Einrichtung des Geländes bildet das Restaurant Waldlust, eine schon im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts beliebte "Sommerfrische" mit Gastzimmern, Restaurant, Biergarten, Fontänenteich und anderem mehr. Bereits 1897/1898 herrschte am Bach ein munteres Treiben:
(Darstellung einer im April 1897 gebrauchten Ansichtskarte)
(im März 1898 gebrauchte Ansichtskarte)
Zum Vergleich und als Ergänzung verweise ich auf den (eventuell nur im nicht abgesicherten Modus des Webbrowsers sichtbaren) Facebook-Artikel von Jürgen Zarnke:
Bis in das 1920er Jahrzehnt hinein wurden die Besucher-Kapazitäten im Restaurant „Waldlust" (ohne Berücksichtigung der Nebenbauten) gesteigert:
Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Verhältnisse am Gasthaus etwas bescheidener. So wurde beispielsweise die Festhalle abgerissen.
(2 Ansichtskarten der Zeit um 1925)
Der Winter 1927/28 war so streng, daß die Fontaine des Waldlust-Teiches zu einer Wassersäule gefror:
Zur Zeit der Weltwirtschaftskrise um 1930 ergaben sich auch an der Waldlust erhebliche Einschnitte und Verluste (zum Teil glücklicherweise nur vorübergehend), so hinsichtlich der Halle, welche verschwand und erst viel später an dieser Stelle durch ein Gästehaus ersetzt wurde.
Vielleicht war das Abnehmen der Besucher auch zum Teil durch das damals als Erholungsstätte dienende Landhaus Deerth bedingt:
(Text auf einer bei Im Deerth verfaßten Waldlust-Ansichtskarte vom Juli 1932)
Während des Zweiten Weltkriegs diente die Gastronomie in der Waldlust als Lazarett der deutschen Luftwaffe, welche im Umfeld Flugabwehrkanonen aufgebaut hatte. Über der Zufahrt in der Pelmkestraße gab es offensichtlich eine Artillerie-Stellung zur Abwehr des bösen Feindes (oder wer immer auch als Opfer in Frage kam):
Von Besuchermangel konnte dann nach dem Zweiten Weltkrieg keine Rede mehr sein:
Sommerfrische in der "Waldlust", um 1955. Fotografie von Willy Lehmacher. Digitale Kopie vom originalen Negativ.
von der Pelmkestraße her, über welche - zumal in ihrer Fortsetzung als Deerthstraße - auch das Forsthaus Deerth zu erreichen war. Die Bachstraße blieb - als breiter Weg (auf dem Foto vom März 2009 rechts zu sehen) - Forstfahrzeugen, Radfahrern und Spaziergängern vorbehalten.
Nachfolgend eine kleine, auf Ansichtskarten der Zeit um 1900 basierende Bilderserie:
Dieses Motiv wurde auf Ansichtskarten nur mit leichten Veränderungen (in der Perspektive und durch Bemalung) bis um 1925 ständig wiederholt:
Beliebt war auch die über den Teich talaufwärts gerichtete Perspektive:
Der Festsaal oberhalb des Teiches war eindrucksvoll:
(Ansichtskarten aus dem 1910er Jahrzehnt)
Im Sommer 1936 existierte er allerdings nicht mehr:
(Foto: Johann Janßen †)
Zum Vergleich ein Foto des Verfassers vom März 2009:
Das Restaurant im Sommer:
(Ansichtskarte etwa um 1955)
Desgleichen im Winter:
(Ansichtskarte vermutlich etwa um 1935)
Dazu gibt es vom Verfasser ein Vergleichsfoto vom März 2009:
Christof, Detlef, Mutter, Klaus anno 1994 vor dem Eingang des Restaurants:
(Foto: Wilhelm Rothe junior †)
Neuere Erkundungen
Eine ,Retro-Tour' mit Start an der Waldlust - ein YouTube-Video:
Am 14. April 2014 habe ich am östlichen Hang nahe dem Gästehaus des Restaurants eine ,Nachlese' gehalten, ohne weitere Glasflaschen zu finden:
Metallprospektion
Bereits im 1990er Jahrzehnt stieß ich im Hagener Stadtwald auf Reste von Rennfeuerverhüttung in Form von Eisenschlacken, allerdings bloß im westlichen Randgebiet am Kettelberg (siehe eigene Untersuchungen). Aus dem Bereich der Breckerfelder Hochfläche mit ihren zum Teil engen und tiefen Bachtälern waren Rennfeuerschlackenhügel (welche die Einheimischen ,Sinnerhoop' - oder hochdeutsch ,Sinterhaufen' - nannten) schon länger bekannt. Im Umfeld der Waldlust blieben meine Geländebegehungen lange Zeit ohne Eegebnis, wenn ich einmal von möglichen Pingen und Suchgräben von undatierten Erzsuchaktinen absehe. Am ehesten schienen sich Spuren rund um den Harkortswald zwischen Hesterthardt (der Berg mit dem Kaiser-Friedrich-Turm bis zu Im Deerth), dem Eugen-Richter-Turm und Am Stern zu manifestieren. Aber wie es in der Forschung 'mal so ist: erstens kommt es (wo)anders, und zweitens zeigen sich Ergebnisse mitunter erst nach Jahren:
Diese älteste Siedlungsspur in Wehringhausen in Form eines Rennfeuerofenschlackenstücks von zehn Kilogramm Gewicht datiert (noch ohne einen naturwissenschaftlichen Nachweis!) am ehesten in das hohe Mittelalter und bezeugt, daß die Entstehung des "Ruhrgebiets" eher an Volme und Ennepe als an der Ruhr stattfand und bis mindestens in das Mittelalter zurückreicht. Ältere als mittelalterliche Schlacken konnten bislang an der Ennepe meines Wissens noch nicht nachgewiesen werden - mit ihrem Vorkommen darf aber "gerechnet" werden. Die Metallprospektion steht am Anfang - die Steinkohlenutzung dagegen eher am Ende der starken wirtschaftlichen Entwicklung dieser Region! Wasser, Eisen, Kalk, Kohle - dies sind die Stoffe, aus denen der Ruhrpott "geknetet" wurde! Nur ein kleiner Fund in der Waldlust am Rande des Reviers - doch ein großer Schritt mitten hinein in die Geschichte!
Nach Begehung des westlichen Hanges erfolgte eine solche des östlichen Bereiches (unterhalb des Goldbergsattels):
(Die Inspektion des östlichen Hanges unterhalb des Goldbergsattels vom 16.12.20 ist auch als YouTube-Video verfügbar.)
Die Begehung des Bachlaufs zwischen Restaurant-Parkplatz und Kleingartengelände ergab leider auch keinen weiteren Anhaltspunkt für mittelalterliche Eisenverhüttung:
Nach der Flutkatastrophe vom 14. Juli 2021 machte ich mich erneut auf die Suche und wurde bei der Begehung des Bachlaufs an der bekannten Stelle fündig:
Weitere Geländeerkundungen an der Waldlust würden sich gewiß lohnen!
Ausklang
Ansonsten ist da ja noch der einladende Wald für Wanderungen, den die Rockband Grobschnitt im 1970er Jahrzehnt besang ("Lupo": Adreßbuch 1976, Straßenteil, S. 260, Sp. 4: Gerd Kühn - Nr. 78 a - wohnten oben in der Pelmkestraße, wo auch der Förster (Forstamtmann) Aloys Brinkmann (Adreßbuch 1976, Straßenteil, S. 260, Sp. 4: Nr. 78 b) residierte, nach dem der Pfad zum Rotwildgehege benannt ist):
Auch "Eroc" Joachim Ehrig wirkte hier; allerdings ist er im Adreßbuch 1976 (Namenteil, S. 70, Sp. 2) noch als Chemielaborant in der Heinitzstraße 22 vermerkt.
Stadtverwaltung 1948: Stadtverwaltung Hagen (Statistisches Amt) (Hg.): Die Stadt Hagen im Jahre 1947, o.O. o.J. [Vorwort vom Juli 1948].
Stadtverwaltung 1956: Stadtverwaltung Hagen (Statistisches Amt) (Hg.): Die Stadt Hagen im Jahre 1955, o.O. o.J. [Vorwort vom Mai 1956].
Adreßbuch 1976: Verlag Carl Hinnerwisch (Hg.): Adreßbuch der Stadt Hagen 1976. 47. Auflage, Hagen o.J. (ohne ISBN-Nr.)
Klostermann 2005: Karlheinz Klostermann: Die Waldlust. Über 100 Jahre Sportplatz "Waldlust", Hagen 2005 [ohne ISBN; gedruckt von der Stadt Hagen; im Dezember 2005 erschienen und in diversen Buchhandlungen in der Stadt Hagen erhältlich]
DANKSAGUNG
DEN ENGAGIERTEN MITARBEITERN DES STADTARCHIVS HAGEN DANKE ICH FÜR DIE BEREITSTELLUNG SELTENER FOTOS BEI FACEBOOK, WELCHE AUCH MEINE ARBEIT IN VIELEM FÖRDERN!
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